Damit konnten wir nicht rechnen!

09.11.2024 – Mit Pfarrer Bodo Steinhauer geht der Letzte der ursprünglichen drei Winz-Baaker Musketiere von Bord
Bei Pfarrer Bodo Steinhauer konnte man stets mit allem rechnen, nur nicht damit, dass er sich zur Ruhe setzt. Jetzt soll es nach 37 und einem halben Jahr in Winz-Baak aber doch so weit sein – warten wir mal ab.

1958 geboren und in Wehdem aufgewachsen, wurde Bodo Steinhauer von Familie und Kirchengemeinde christlich geprägt. „Das Standardprogramm am Sonntag war Kindergottesdienst und Fußballplatz, beides mit meinem Bruder Hannes“, erinnert sich Steinhauer. An einem dieser Sonntage, er hatte gerade das Abitur hinter sich gebracht, saß der junge Mann mit den Eltern am Mittagstisch zusammen. „Da wusste ich plötzlich: Ich will Theologie studieren. Das war als Gewissheit auf einmal da. Ich wusste: Der Glaube ist meine stärkste Kraft.“ Drei Monate später zog er nach Münster und begann das Studium der evangelischen Theologie.
„Meine Richtschnur als Jugendlicher war die Frage: Was würde Jesus dazu sagen?“, erzählt der 66-Jährige. „Im Studium habe ich das geprüft. Ich hab nicht nur studiert, sondern auch vier Jahre im Gefängnis gearbeitet.“ Immer freitags luden Bodo Steinhauer und eine kleine Gruppe Referenten zu Diskussionsveranstaltungen mit Gefangenen ins Gefängnis ein. In Einzelfällen arbeiteten sie auch sozialbetreuerisch. „Der Knast sperrt den ganzen Menschen weg. Das ist ein falscher und ungnädiger Ansatz“, ist der Pfarrer nach wie vor überzeugt. „Jedes Vergehen hat seine Geschichte. Die nicht zu bearbeiten ist ein Versäumnis von uns als Gesellschaft.“
So wie ihn sein Glaube zur Arbeit mit Gefangenen gebracht hat, hat ihn diese Arbeit umgekehrt auch tief geprägt: „Würde Jesus heute leben, würde er versuchen, Gefängnisse zu überwinden. Ich habe immer versucht, Menschen keine Attribute zuzuordnen, und das auch so an Konfis weiterzugeben. Menschen müssen beim Namen genannt und als Einzelpersonen angesprochen werden.“
Zusätzlich zur Theologie studierte Steinhauer bis zum Vordiplom auch Pädagogik, „um den Umgang mit Menschen professionell leben zu können.“ Zudem beschäftigte ihn die Friedenspädagogik von Dieter Senghaas und Johan Galtung. Daraus ergaben sich wieder neue Fragen für den Studenten: Wie können wir gerecht leben? Was brauchen wir Menschen? Welchen Weg müssen wir mit den Menschen gehen? „Ich habe mir dann auch andere Lebensfelder angesehen von Menschen, die als Randgruppen bezeichnet wurden – Gruppen, denen Jesus nachgegangen ist. Neben Arbeit mit Körperbehinderten habe ich auch ein Praktikum im Wittekindshof gemacht und dort Wohngruppen von geistig behinderten Menschen betreut. Das war mit die glücklichste Zeit in meinem Leben.“ Auch in einem psychosozialen Zentrum arbeitete Steinhauer.
Wenn man genau hinschaut, haben all diese Erfahrungen mit Menschen aus unterschiedlichsten Lebensbereichen ihren Niederschlag auch in Winz-Baak gefunden. Im Gemeindebrief beschreibt der Pfarrer die große Vielfalt der Aufgaben, die er im Parallelschwung mit Pfarrerin Birgit Crone und ihrem Mann Pfarrer Uwe Crone in Hattingen in Angriff genommen hat. „Uwe kannte ich schon aus dem Studium, und Birgit kam später im Predigerseminar dazu.“ Wie sie ein Team wurden und sich zunächst zu dritt zwei Stellen in Winz-Baak teilten, wurde schon bei den Verabschiedungen der Crones vor einem halben (Birgit) und einem Jahr (Uwe) beschrieben.
„Dankbarkeit und Staunen waren die Kräfte, die mich bewegt haben. Dankbarkeit für die Vielzahl der Aufgaben, die sich mir vor die Füße gelegt haben: „Hallo Hattingen“ zum Beispiel, die Rubrik „Besinnliches“, interreligiöse Arbeit, die Arbeit im KSV und in leitenden Gremien der Augustastiftung, um nur einige zu nennen. Staunen bei Kranken- oder Seelsorgebesuchen: Wie viel steckt an Unvergleichlichem in jedem Leben! Wie viel Liebe. Ich bin immer beschenkt aus diesen Gesprächen gegangen.“
Jetzt steht wieder ein großes Fest an, und das ist ganz im Sinne Bodo Steinhauers: „Feste und Feiern sind Ausdruck des Lebens“, sagt er. „Deshalb gibt es bei uns in Winz-Baak auch so viele davon. Ich wollte nie nur ein Pfarrer für den Gottesdienst sein. Auch Jesus hat solche Situationen gesucht. Versenkung, Meditation, Fest und Freude entsprechen der menschlichen Natur und sollten im Gemeindeleben eine Rolle spielen. Gastfreundschaft ist eine Uraufgabe von Kirchengemeinden in der Nachfolge Jesu, der sich unterhalten hat, gegessen, getrunken und vergeben.“
Daher ist es Steinhauer auch ein Herzensanliegen, dass das Gemeindezentrum erhalten bleibt, das seit 2002 in einer gemeinsamen Kraftanstrengung zu dem hellen, lichtdurchfluteten Gemeinschaftsort gemacht wurde, der es bis heute ist. Die Aussichten dafür sind gut. 2025 kommen die katholischen Geschwister hinzu und werden ihren Teil zum christlichen Leben im Gemeindezentrum beitragen.
Und das alles ohne Bodo Steinhauer? Nicht ganz. Der Übergang zu Nachfolger Pfarrer Oliver Pütz, der hier und in der Südstadt arbeiten wird, ist besprochen. Zu den Abmachungen gehört, dass Pfarrer Steinhauer den aktuellen Konfi-Jahrgang bis zur Konfirmation im nächsten Jahr betreut. Und sicher wird er auch weiter ein Auge auf das Leben im Gemeindezentrum haben. Jeden Abend, seitdem vor vielen Jahren die letzte Küsterin in den Ruhestand ging, schaut er dort kurz noch einmal nach dem Rechten. Das wird er nur ganz langsam ausschleichen können.