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Befreiung des KZ Auschwitz vor 80 Jahren

Von Hans-Martin Julius
Ria Heinemann

28.01.2025 – ACK-Witten, ev. Gehörlosengemeinde und Ruhrgymnasium gedachten der Opfer des Nationalsozialismus

Bei einer Feier zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren berichtete Zeitzeugin Maria Heinemann gestern eindrucksvoll von dem, was gehörlosen Menschen im Nationalsozialismus angetan wurde. Heinemann, die 1935 in Hamm als Tochter gehörloser Eltern zur Welt kam, verlor ihren älteren Bruder. Ihre Eltern wurden 1937 zwangssterilisiert, genau wie ihr späterer Mann bereits als 10-jähriger Junge.

Ria Heinemann

Zeitzeugin Ria Heinemann berichtete sehr offen davon, wie das Leid, dass Gehörlosen angetan wurde, ihr eigenes Leben beeinflusst hat (Foto: hmj)

„Ich hatte mir so sehr Kinder gewünscht, und habe schon überlegt, ob ich diesen Mann, den ich liebte, heiraten sollte, obwohl ich wusste, dass ich mit ihm keine Kinder haben konnte. Und doch habe ich mir für ihn entschieden“, erzählte Maria Heinemann den über 150 Gästen der Gedenkveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Witten, die gestern in der Aula des Ruhrgymnasiums an der Synagogenstraße stattfand.

Der Abend verband die Schicksale verschiedener Bevölkerungsgruppen in der Zeit von 1933 bis 1945. Iwona Bialek (Gesang) begleitete mit Klezmermusik die Veranstaltung, unterstützt von Christina Riebeling an der Klarinette und Josef Marder am Klavier. Zu einem längeren Stück wurden Bilder aus der Graphic Novel „Aber ich lebe“ gezeigt. Das Buch erzählt auf neue Weise das Schicksal von vier Kindern, die den Holocaust überlebt haben.

Würde des Menschen ist aktuelles Thema

Schulleiter Dirk Gellesch forderte dazu auf, Rückschau zu halten auf eine Zeit, in der die Würde des Menschen mit Füßen getreten wurde, aber vor allem auch jetzt und in Zukunft für dieses Grundrecht einzutreten: „Es erscheint heute dringend notwendig!“ Die ACK-Vorsitzende Pfarrerin Heike Bundt gab zu bedenken, „dass dies im Wahljahr auch eine politische Veranstaltung“ sei. Bürgermeister Lars König würdigte als ehemaliger Schüler des Ruhrgymnasiums die Anstrengung der Schule um Aufklärung über den Holocaust und ermutigte die Zuhörenden, selbst die Gedenkstätten in den ehemaligen Konzentrationslagern aufzusuchen und sich ganz bewusst dieser bedrückenden Erfahrung auszusetzen.

Pfarrerin Christine Brokmeier von der Gehörlosenseelsorge der evangelischen Kirche scheute sich nicht, auf die Schuld hinzuweisen, die ihre eigene Kirche im Nationalsozialismus auf sich geladen hat. Sie hatte sich mit der Zwangssterilisation von Gehörlosen einverstanden erklärt und diese Schuld erst eingestanden, als viele Betroffene bereits verstorben waren.

In einem kurzen Vortrag berichtete Martin Heuser aus Münster von den Entwicklungen im Umgang mit gehörlosen Mitmenschen nach dem Zweiten Weltkrieg. So wurde jungen Lehrkräften zunächst weiter beigebracht, Gehörlose zu zwingen, zu artikulieren. Im Unterricht wurden sie systematisch geschlagen. Die Nutzung der Gebärdensprache wurde den Schülerinnen und Schülern verboten. Die deutsche Gebärdensprache wurde von der Europäischen Union erst 1988 als Sprache anerkannt.

(hmj)